Lieblingsfels Kampermauer
Klettern am Hengstpass: DIE Kampermauer IST UNSER LIEBSTER SPIELPLATZ, KRAFTPLATZ UND KLETTERPLATZ. ROUTENBESCHREIBUNGEN FINDET IHR HIER KEINE. DAFÜR EINE KLEINE ANLEITUNG ZUM GLÜCKLICHSEIN.

Rauschender Bach, berauschende Natur, nur manchmal vorbeirauschende Motorräder. Ist in Bergbüchern ein Idyll zu sehen, könnte es ein Abbild dieses Fleckchens Erde sein. Wo sich die Hengstpassstraße von Rosenau in Richtung Unterlaussa talwärts schlängelt, ragt dieses felsige Mauerwerk zwischen Wald und Wiesen südseitig empor. Bis zu 400 Meter hoch, von Rinnen und Rissen durchzogen, mit Schuppen und Kanten versehen, von Türmchen und Dächern gekrönt. Es ist ein kleines Paradies. Unser liebster Spielplatz vor der Haustüre. Wenn wir morgens in unserem Bett erwachen, können wir eine halbe Stunde später drauflos klettern.
So eilig haben wir es aber nur ganz, ganz selten. An der Kampermauer steht die Zeit still. Handyempfang hab ich mit meinem „Drei“-Netz glücklicherweise noch immer nicht. Stille Beobachter dieses felsigen Treibens sind auf der Nordseite die Haller Mauern mit ihren Graten und Karen, die meistens bis in die Sommermonate noch Schnee tragen. Dieses Gebiet vereint einfach alles. Alles, was uns glücklich macht.
Der Fels in der Wandlung
Routenbeschreibungen, Topos und Führerliteratur sucht man vergeblich. Was man findet, ist eher spärlich (wie auf bergsteigen.com). Das einzige kleine Routen-Heftchen aus dem Jahre 1998 ist erstens ausverkauft und zweitens ohnehin nicht mehr deckungsgleich mit der Realität. Manche Bolts wurden wieder entfernt (wie in der Vegetarierkante, um die Schönheit der Route zu bewahren), so viele andere Linien wurden zum Leben erweckt. Wir lernten diese alten und neuen Routen meist direkt durch unsere Kletterkumpels kennen – oder durch Erzählungen vom „Hausmeister“ persönlich, dem Steinmassl Heli. Ihn trifft man sehr oft in seinem Wohnzimmer, nur selten aber an Wochenenden, dann geht er lieber in eine Höhle, dort hat er seine Ruhe.
„Im Frühjahr wird der neue Führer fertig“, pflegt der Heli zu sagen. Das sagte er im Oktober 2014. Im April 2015. Und im September 2016. In welchem Frühjahr, das sagt er aber nie dazu. Das steht auch nicht in den Sternen, sondern einzig in den Linien dieser Felsen. So lange der Bergführer aus Spital am Pyhrn noch mögliche Routen erkennt, wird er versuchen, sie zu zeichnen, sie zu meistern, sie zu errichten. Ein kreativer Kraftakt, ein rastloses Rätsellösen. Sein Lebenswerk. Irgendwann wird seine Handschrift in einem neuen Kletterführer verewigt sein, seitenweise Skizzen gibt es bereits. Wir sind glücklich, dass er sich in dieser Wand verwirklicht. Und – ein bisschen egoistisch dieser Gedanke – er darf sich ruhig Zeit lassen dabei. Diese natürliche Stille ist in der immer lauter werdenden Bergwelt ein kostbares Gut. Mit einem Führer könnte sich dieser Ruhezustand ändern.
Lust auf ein paar Kletterzüge?
Der Klassiker schlechthin: Die Super-Diagonale – immer wieder super. Der rampenartige Diagonalriss (2. SL, V+) ist ganz schön zum Festhalten.
Im Sektor Malibu: Steile Plattenkletterei (VII), die immer steiler wird…
In der Route „Narrisch Vegetarisch“ (VII).
Mittlerweile zählt die Kampermauer um die 300 Sport- und Genusskletterrouten (teilweise bis zu 70-m-Seil erforderlich) und eine Vielzahl an Mehrseillängenrouten (bis zu acht Seillängen) – gut bis sehr gut abgesichert und mit alpinem Touch geblieben. Was mich immer wieder zum Staunen bringt: die Vielfältigkeit der Felsstrukturen dieser Kalkwände. Es gibt großgriffige Henkelrouten (im Sektor Vegetarierkante), nur wenige Schritte daneben senkrechte Leistenkletterei (im Sektor Ekstase), wieder ein paar Schritte weiter kleingriffiges Brekziengestein (im Bereich der Palatschinke), man findet große Löcher (westseitig im Schweizer Kas), glatte Platten (im Bereich Schmetterlingsplatte) und dazu Verschneidungen, Überhänge, Kamine und Risse. Viele Routen bewegen sich im 5., 6. und 7. Schwierigkeitsgrad – da findet sich so vieles, das ich auch mit meinen Mädels klettern kann (ohne mich in Grund und Boden fürchten zu müssen ;-)). Neues, Altbekanntes, Kurzes, Langes. Bis die Sonne untergeht. Wie an einem Frühlingstag mit Evelyn.
Weil in unserem Plan A, der „Super-Diagonale“, eine Dreier-Seilschaft erst am zweiten Stand herum hing (und ich mir dachte, dass dies länger dauern könnte), schlug ich vor, noch die Waschrumpel vorzuschieben. Eine kleine Tour mit großer Aussicht. Nach einem lässigen 50-m-Kamin quert die letzte kurze Seillänge zum luftigen Standplatz an einer Kante. Ein Quergang wie aus dem Bilderbuch, der den dritten Schwierigkeitsgrad nicht übersteigt. Wer sagt, dass schöne Touren immer schwierig sein müssen? Und Quergänge immer zum Fürchten sind?
Nur der folgende frei hängende Abseiler ist nichts für schwache Nerven und/oder zu kurze Seile (60-m-Halbstränge nötig). Nachdem wir wieder sicheren Boden unter den Füßen erlangen, starten wir zur Super-D (acht Seillängen bis VI-, auf bergsteigen.com gibt’s ein Topo). Und irgendwie hatte ich’s befürchtet…

Bitte warten…
Schlussendlich haben sie es hinauf geschafft – und auch wir. Der krönende Rundumblick in die schneeweißen Haller Mauern ist selbst beim x-ten Mal dieselbe Augenweide: einfach umwerfend s-c-h-ö-n! „Wohin geht’s denn ihr?“, fragt sie vor uns. „Na hinunter – über den Fußweg“, sagen wir und schlüpfen in unsere Zustiegsschuhe. Während sich das Dreierteam unbeirrbar zum Abseilen aufmacht, gehen wir zu Fuß los – ein schmaler, teils ausgesetzter Weg, der kurz noch bergauf, und dann bergab führt, und am Ende in einen kurzen Klettersteig mündet. Wieder beim Auto, da verschwindet die Sonne – wir blicken zurück. Nicht im Ernst…!? Die Dreierseilschaft ist offensichtlich erst auf der Suche nach dem zweiten Abseilstand. Na hoffentlich haben die Stirnlampen dabei! Und wissen, was sie tun!

Um den kleinen Exkurs zu Ende zu führen: Uns kommt immer wieder vor, dass manche Routen falsch eingeschätzt werden – so ein typischer Klettergarten ist die Kampermauer nicht. Ein Mangel an Ortskenntnissen und Routenbeschreibungen lässt keinen großen Spielraum zu. Wie im Winter: Oft lässt es sich hier superfein klettern, aber die Lawinengefahr lauert an manchen Sektoren wie ein Damoklesschwert über den Köpfen. Oder im Sommer: Die Gämse und Kletterer in höher gelegenen Routen oder Sektoren bekommen vielleicht gar nicht mit, dass sie Steine loslösen könnten und am Wandfuß ohne Helm geklettert wird. Stay safe!
Zwischen Fels und Firn

Zwischen Fels und Firn
Zahme Stute
Zurück in eine schöne Tour – sie ist wohl sogar meine Lieblingstour an der Kampermauer: die Zahme Stute (VII-, 8 SL).
Genuss-Tour.

Wenn uns ein ganzer Klettertag zur Verfügung steht, suchen wir uns zwar meistens höhere, größere, längere Ziele – das Beste liegt aber trotzdem oftmals nah. Wenn’s andernorts noch grau und nass ist, können wir hier in gewissen Routen bereits im Trockenen klettern. Heimvorteil. Ich bräuchte ein paar Finger, um zu zählen, wie oft die Zahme Stute schon geklettert bin (darum zähl ich besser gleich nicht mit ;-)). Vergangenes Wochenende war’s wieder so weit. Die Zahme Stute ist immer wieder vom Feinsten – und Meter um Meter richtig abwechslungsreich. Die zweite Seillänge beinhaltet eine sich wunderbar auflösende Rissverschneidung. In der dritten Länge folgt nach einer kurzen Steilstufe ein genialer Piazriss. Mehr müsst ihr selber erleben 😉 Im gemütlichen Mythos-Patschen an den Füßen (beim letzten Mal hab‘ ich im Katana fast geweint vor Schmerzen; wie ich zu enge Kletterschuhe hasse!) macht die Tour richtig Spaß. Eingespielt und abwechselnd läuft’s Länge um Länge weiter, bis wir aus dem Rucksack den Nudelsalat kramen. Das nenn‘ ich mal Genusstour! Futtern am Ausstieg! Wie schön, dass Andi so gerne mit Rucksack klettert. 🙂

Ein Blick ins Foto-Archiv zeigt uns noch ein paar weitere vertikale Ausflüge an der Kampermauer. Neben der Zahmen Stute gibt’s auch die Wilde Stute. Eine steile Kletterei bis VIII-. Zum Wiehern (wenn man so einen super Vorsteiger hat und die Schlüsselstelle stressfrei auschecken darf ;-))!

Das unvergessliche Fotoarchiv… Ein Blick noch weiter zurück, gute zehn Jahre, zeigt den jungen Andi, wie er sich freut, am Ausstieg der Vegetarierkante an nur einem Bohrhaken zu hängen. Vor zehn Jahren… da hätt‘ ich noch geglaubt, „Bolt“ sei ein Spitzname von Leopold und geglaubt, dass eine Sache höchstens einen Haken haben kann!

Malibu gibt’s nicht nur zum Trinken oder als Trauminsel, sondern auch als Sektor an der Kampermauer. Hier erwarten den Kletterer steile Platten mit langen Routen und einem riesigen Überhang. In dem fühlen sich auch Felsenschwalben heimisch – im Jahr 2016 war der Sektor bis zum 15. Juli in der Brutzeit gesperrt. Auch der „Gelbe Hammer“ (VII+, moralisch! fantastisch! steil!) war davon betroffen – bereits wieder vogelfrei ist die benachbarte „Zodiac“ (VIII+, ich bin so froh, dass ich sowas Zaches einfach nachsteigen darf, gewaltige Tour!). 2017 gab’s übrigens keine Hinweisschilder für Kletterverbote.

Nun wisst ihr also, wo ihr mich vermutlich findet, wenn ihr mit eurem nächsten Anruf in meiner Mobilbox landet…

happy climbing

Einen Augenblick bitte…