Grimmi(n)g im Winter

Wie im Himalaya. Nur im Ennstal! Der Grimming wuchtet sich mit seinem ganzen Charme mitten in die Steiermark. Vor allem im Winter zeigt sich der sagenumwobene Berg von seiner anspruchsvollen Seite. Lass dich auf unserer Hike&Fly-Tour von ihm verzaubern!
Neun Kilometer lang, fünf Kilometer breit, 2,351 Kilometer hoch. Hier ist viel Platz für Mythen und Bergsteiger-Geschichten, Sagen und Legenden. So glaubten die Steirer lange Zeit, der Grimming sei ihr Landeshauptberg, noch höher als der Dachstein, weil er so mächtig aus dem Ennstal ragt. Auf der ständig sich stockenden B320, ganz grob zwischen Trautenfels und Gröbming, und in Richtung Ausseerland bis nach Bad Mitterndorf, bleibt unser Blick nicht beim Rücklicht des Vorderfahrzeugs hängen, sondern immer wieder an den wilden Schluchten und Wandfluchten himmelwärts. Und im Winter erst! Da sieht der Grimming ganz schön abweisend aus in seinem weißen Mantel mit mächtigen Schultern und Ecken und Kanten. Ein Berg wie aus dem Bilderbuch für Westalpen- oder Himalaya-Verliebte. Ein Berg für uns!

Es ist ein Dezembertag 2016, es liegt keine mächtige Schneedecke auf dem Grimming, er sieht bloß frisch angezuckert aus wie ein Guglhupf in der nahen Grimming-Therme. Nur wird er uns nicht in warmer Umgebung serviert, sondern ist zum Selber-Abholen in Eiseskälte. Das wird kein Sonntagsausflug in eine Wohlfühloase, sondern ein Schritt in die Unbequemlichkeit. Skier nehmen wir übrigens keine mit, aber wir wollen mit unserem Gleitschirm absteigen.  www.hochzwei.media/der-hochkoenig-der-luefte Wie schon am Hochkönig damals. https://www.hochzwei.media/portfolio_items/nice-xeis Oder am Admonter Kaibling. Hinaus aus der düsteren Nebelsuppe, hinein ins Abenteuer!

Wir nähern uns dem Grimming auf seiner uns noch unbekannte Nordseite an, über dessen Normalweg. In der Ortschaft Kulm, wo die Skiflugschanze schon Weltmeister in den siebenten Himmel gehoben hat, starten wir im Stillen unseren innerlichen Höhenflug. Ziemlich bald kommen wir im Latschendickicht an den K-Punkt – der Schnee verdeckt die Markierungen bald, laut Karte müsste hier eigentlich unser Weg durch den Stribinggraben führen, aber nix da. Irgendwie wühlen wir uns dann doch durch die grünen Nervensägen und stoßen bald auf Fels. Auf weißen Fels.

Grimming. Grimmig? Die Bedeutung seines Namens ist umstritten. Er könnte sowohl slawischen als auch bajuwarischen Ursprungs sein. Jedenfalls hat er sicherlich nichts mit  Grimm (=Zorn) zu tun – das steht im Buch  Sagenhaftes Hinterbergertal Außerdem sieht er gleich viel einladender aus – als er uns seine dicken Klettersteigseile freundlich entgegen hält. Wie eine Hand, die sagt: Nimm mich! Komm her zu mir!

Kräftig zupacken, sauber ansteigen, hinweg sind wir über die erste Felsstufe und dringen Meter um Meter weiter ein in ein Winterwunderland.

Nachdem wir in einen riesigen Kessel geraten, sehen wir doch noch Menschenleben. Ein Bad Mitterndorfer schneit an uns vorbei. „Den Grimming? Den geh‘ i am liebsten im Winter“ , sagt der drahtige Kerl um die 50, „da ist man meistens alleine unterwegs“ . Es gibt schon steile Typen rund um diesen Felsklotz, denken wir uns… Wie im Blindflug steuert er eine Rinne linkerhand an. Fein, folgen wir seiner Spur. Die Stahlseile hatten ohnehin schon ein Ende.

Wie so oft – von unten sieht es kaum nach einem Durchkommen aus. Der Weiterweg verlangt alpinen Spürsinn – wir sind nicht undankbar darüber, dass ein wilder Hund mit seiner Spürnase voraus ist. Rinnen, Querungen, kleine Felsaufschwünge – ein Mix, der uns konzentriert und fröhlich voranschreiten lässt! Bis wir plötzlich wie versteinert dastehen…

Die Sonne kommt zum Vorschein. Kein Schritt mehr nach vor, keiner zurück, wir sind verzaubert. Die geniale Szenerie wirkt plötzlich viel surreal. Wie im Himalaya, nur eben im Ennstal. So unwirklich, sich hier frei bewegen zu dürfen. Es fühlt sich an wie ein Geschenk des Himmels, das zu erleben!

Auf jedem weiteren – anspruchsvollen – Schritt begleitet uns ein dickerfetter Grinser im Gesicht. Die Temperaturen steigen, der Schnee wird weicher – hoffentlich müssen wir hier nicht mehr hinunter, denken wir uns. Nur wo landen…? Das Nebelmeer ist noch ein wabernder Ozean, grüne Inseln sind vorerst keine in Sicht. Vielleicht erleben wir noch die Ebbe, die Landezonen freilegt, bittebitte, wir essen auch unser Jausenbrot mit Sicherheit auf…

Hehe, siehe da! In Richtung Bad Mitterndorf zeigen sich erste Inseln im weißen Meer. Aber komischerweise kommt der prognostizierte Nordwind nicht aus Norden… Doch erst mal weitergehen, der Gipfel ist schon ganz nahe.

Mit dem Kreuz, das ungefähr viermal so groß wie Marlies und dreimal so groß wie Andi ist, erreicht auch unsere Gefühlslage den Höhepunkt. Mit zentimeterdickem Anraum überzogen, legen wir eine Pause ein. Wir lassen den Südwestwind über unsere Wangen streichen. Nun gut: Plan B. Starten wir in Richtung Trautenfels. Der Gipfelhang fällt zwar gleich steil über die Klippe hinab, doch der Wind steht so schön an, dass er uns mit unserem Flügel mit Leichtigkeit darüber hinweg heben sollte. So viel wie immer die Theorie. In der Praxis fühlt sich das schon wieder etwas spannend an

Nun gut, der Wind ist perfekt. Jede einzelne Leine ist penibel im Schnee ausgelegt, die Flugbahn ist vorberechnet, in einem leichten Rechtsdreh über den Felsvorsprung hinweg, der siebente Schritt ist einer ins Leere. Ich fliege! Über die Felsabbrüche hinweg, den genialen Südgrat, der viel Schnee als Rückendeckung hat.  Aber wo der bleibt Andi?  Ich bin schon einige Minuten in der Luft – und noch immer ist er nicht in Sicht. Dabei wollte er doch unmittelbar hinter mir starten. Ach herrje… Als ich mir langsam Sorgen mache, taucht ein Pünktchen in grimminger Höhe auf. Da ist er ja!

Der Skistock hat sich beim Beschleunigen zum Klippenstart auf einmal hängen lassen. Lieber als eine baumelnde Spitze macht er doch einen zweiten Startversuch. Erfolgreich! In den letzten Sonnenstrahlen fliegen wir in Richtung Riesenkreuzung, wo man vom Ennstal einen Abstecher ins Ausseerland macht.

Wir fallen uns in die Arme, packen unser Zeug und strecken an der Kreuzung Trautenfels unseren Daumen in die Höhe. Doppel-Jackpot! Ausgerechnet Skitourenspezi Christian bremst sich mit seinem Auto ein und bringt uns tatsächlich bis zu unserem Bus in Kulm (dankeeee nochmal dafür! :-)). Dort starten wir die Speckjause – und danach den Motor, um zum Adventmarkt in Pürgg zu kurven.

Grimming mit Ski
Flashback: Weil wir schon beim winterlichen Grimming sind… Den April 2013 werde ich auch nie vergessen: Da saßen wir am frühen Nachmittag bei Kaffee und Kuchen in Irdning und blickten mit einem ebenso breiten Grinser zurück auf diesen majestätischen Koloss: Wir schafften soeben eine Skibefahrung vom Gipfelkreuz bis zum Auto – ohne einmal abzuschnallen. Gernot und zwei weitere Locals Gerolf und  Ecki nahmen mich mit auf ihren Hausberg. Über die südostseitige „Heirinn'“, wie sie nicht einmal alle Einheimischen kennen, stiegen wir auf und fuhren im feinsten Firn wieder ab. Wohoooo, wie cool ist dieser Berg! Und wie schön sind diese Erinnerungen, die nie verblassen.

Einen Augenblick bitte…