„Kein Weg ist zu lang für den, der langsam und ohne Eile vorwärtsschreitet.“

Jean de la Bruyére

Schreckhorn-Überschreitung Lauteraarhorn Gratklettern Zustieg Schreckhornhütte Gletscher Gletscherbruch

Wie jetzt, noch so weit? Will denn dieser Grat gar kein Ende nehmen? Schnauf. Schluck. Schreck‘ lass nach. Spurt. Die Zeit läuft dahin. Ausgleichende Gerechtigkeit…? Ist uns die „Eingehtour“ auf dem Weg in unseren Westalpenurlaub (die Grundschartner-Nordkante) fast zu kurz geraten, ist auf dem Verbindungsgrat vom Schreckhorn zum Lauteraarhorn kein Ende in Sicht. Hinter jedem Zapfen noch ein Zapfen, da geht’s drunter und drüber, links und rechts vorbei. Man sieht den Grat vor lauter Türmen nicht mehr. Was für eine Überschreitung. Hoffentlich keine der eigenen Grenzen… Nix da. Dranblieben. Weiterklettern.

Horn mit schrecklichem Namen

Ein paar Stunden zurück: Um 9 Uhr auf dem Gipfel des Schreckhorns stellen wir uns die Frage der Fragen: Gehen wir weiter? Oder drehen wir um? Die Verlockung ist groß, die Jause auszupacken und hocken zu bleiben in dieser ursprünglichen wilden Umgebung. Waren’s bis auf das Horn mit dem schrecklichen Namen doch schon 1500 Höhenmeter in einem Gelände, in dem man lieber keinen Schritt falsch setzt, weil es sonst der letzte gewesen sein könnte. Was jetzt noch vor uns liegt betrachten wir mit Riesenrespekt: Ein Kilometer langer Felsgrat, der sich um die 4000er-Grenze bewegt, und der die zwei abgelegensten Viertausender im Berner Oberland verbindet: das Schreck- mit dem Lauteraarhorn.

Gratgetrampel

Voll motiviert knabbern wir vom Riegel – und packen’s an. Erst geht’s brüchig in den Schrecksattel, bis die Zacken immer zackiger werden. Hin und wieder kommt eine Stelle im vierten Grad daher, bei dem sich ein seilfreies Gratgehopse nicht mehr so gut anfühlt (das Gehopse sieht übrigens wohl eher als Getrampel aus). Mit dem Sichern läuft alles langsamer ab. Und ging wohl auch nicht schneller. Mit der Akklimatisierung haben wir es ja auch sehr genau genommen. Nicht jammern, klettern. Ist doch wirklich wunderbar hier. Wirklich jetzt! Auf dem Gipfel des Lauteraarhorns sehen wir zwar ein ziemlich ausgeapertes Südcouloir vor uns im Abstieg, doch Licht am Ende des Tunnels. Bis es dämmert, haben wir die Schwierigkeiten hinter uns. Es zieht sich noch bis ins Aarbiwak. Um 23 Uhr löffeln wir die Suppe.

Schreckhorn-Überschreitung Lauteraarhorn Gratklettern

Endlos über den Gletscher: 17 Kilometer

Und weil lang dann eben wirklich lang heißt, kommt tagsdarauf der längste Abstieg, den unsere müden Beine in den Westalpen je (er)tragen mussten: 17 Kilometer über Geröll, Gestein, Gletscherreste. Der Strahlegg Gletscher ist der Anfang vom Ende, der lange Hatscher entlang des Grimselsees gibt uns den letzten Rest. Da kommt der Eiskaffee im Grimselhospiz wie gerufen.