Kaffee & KuchenDieser weg auf den Traunstein klingt gemütlich. Doch ist wohl der bitterste:
Zumindest dann, wenn nach dem Kletter-Marathon das Traunstein-HAus geschlossen
ist.Ein sonniger Donnerstag, wir Glücklichen haben frei: Das wär doch was für Kaffee
und Kuchen am Traunsee! Die alpinen Feinschmecker ahnen, dass wir uns am Fuße
des Traunsteins nicht bloß Koffeinhaltiges in Gmundner Keramiktassen einschenken
wollen. Wir wollen 29 Seillängen verteilt auf 1065 Klettermeter durch die
Westwand genießen. Wobei: genießen…? Der Ruf als Marathon und Kraftakt eilt der
Tour voraus, von so mancher beschwerlichen Rettungsaktion haben wir schon
gelesen, Rückzug fast unmöglich, Steinschlag inklusive, und bis zum finalen Ende
oben hinaus schaffen es nicht alle. Also eher nur wenige. Ein leicht bitterer
Vorgeschmack.Morgens am See

Die Nacht verbringen wir in weltbester Ausgangslage im VW-Bus direkt am Ostufer.
Statt Kaffee gibt’s Tee (zu faul, um die italienische Espresso-Maschine
anzuwerfen). Kitsch vom Feinsten: Da spiegelt sich abends noch die Sonne im See,
und morgens dann der Mond.

Um 7 Uhr stehen wir am Einstieg und versuchen, beim Marathon Meter zu machen.

Die ersten 5er-Längen hängen wir zusammen. Unterhalb des Flaschenhalses wird’s
über 100 Meter schon richtig ernst.

Nein, unterbewertet haben die Erstbegeher Eric Horwarth und Toni Neudorfer die
erst sieben Jahre alte Tour nicht gerade. Dem Traunstein in Ehren! Eingebohrt
ist die Route, wie man es sich wünschen würde. Nicht zu viele Haken und doch
gerade recht. Und wie haben diese wilden Kerle nur so eine konstante und
kompakte Route in diesen monströsen Wandfluchten und Schluchten finden können?
Respekt!

Unter dem Flaschenhals

Freilich machen wir zwischendurch auch auf schottrigem Gras und grasigem
Schotter ein paar Meter, aber den Alpinisten wird das doch nicht stören.

Eine Halbzeit-Pause genehmigen wir uns eher nicht, weil es ab der Hälfte erst so
richtig hart wird. Andi löst die schwierigsten Rätsel nacheinander im Vorstieg
gut auf. Sie sind auch nicht ganz neu für ihn, vor fünf Jahren war er 26 der 29
Seillängen mit dem Schorsch schon geklettert.

Quergang deluxe

Ich kämpfe mich nach, lass anstatt der Zeit lieber eine saubere Begehung liegen,
die Exen halten ja eh gut her. Vor allem jene in der letzten 7+-Länge nach dem
24. Standplatz… Pah, sind hier die Kräfte am Ende. Aber doch: geschafft! Ende
Gelände! Und jetzt auf zu Kaffee und Kuchen! Oder…?

Nix da! Hier könnte man über einen Tunnel flüchten zum Notausstieg. Könnte man
(immer dieser blöde Konjunktiv!). Aber der Tag ist noch lange. Und der Andi so
motiviert. Den letzten „Sixpack“ kennt er ja auch noch nicht. Also gut… Noch
drei 6+-Längen. Auf zur Vollendung. Zudem bekommen wir hier in der 27. Seillänge
erstmals die Sonne ins Gesicht, welch herzerwärmender Moment das doch immer
wieder ist! Und wird schon irgendwie gehen. Selbst in den verflixten Quergängen.
Und es ist ja erst 14 Uhr.

Endlich Sonne!

Der letzte Sixpack

So zwischendurch ärgere ich mich über meine
Ja-Klettern-Wir-Nur-Weiter-Mentalität. Doch dann, am Ende des finalen Finales,
überkommt den Andi ein Juchizer und ich werde mein Lächeln mindestens bis zum
überübernächsten Kaffee mit Kuchen nicht mehr ablegen.

Jiihaaaaaa!

Zeit zum Genießen…

Durch die Latschen und über das oberste Stück des Westgrats geht’s bis zum
Naturfreundehaus. Leider haben an diesem Apriltag die Wirtsleute die Hütte
(Moment, das neue Gebäude ist eher eine Burg!) noch nicht aufgesperrt – wie
herrlich wären jetzt Kaffee und Kuchen. Doch dankenswerter Weise gibt’s im
Winterraum Bier (oder Saft) auf eine
hoffentlich-bezahlt-hier-eh-jeder-ehrliche-Zahlweise zu entnehmen.

Genuss pur

1:48 Stunden! 1:35 Stunden! Die Bergläufer ringsum erzählen sich von ihren
tollen Zeiten bis hierher. Unsere zehn Stunden erwähnen wir nicht. Sondern
beißen genussvoll in einen Apfel, schlürfen vom Bier. Und träumen von Kaffee und
Kuchen.

Nachtrag: Der Traum vom Traunstein ging am nächsten Tag noch weiter: Was für ein
riesiges Teil Ameisenkuchen wir uns dann zuhause gebacken haben! Zwei Tage lang
haben wir von Kaffee und Kuchen gezehrt. Nicht nur punkto Genussfaktor, sondern
auch in den Knochen (oh, du herrlicher Muskelkater!).

Einen Augenblick bitte…