Lawinen an Emotionen

Wie viel Glück darf’s sein? Wie viele Sorgen? Auf unserer Expedition zum achthöchsten Berg dieser Welt haben wir beide eine Antwort, aber nur einer von uns den Gipfel gefunden. Manaslu 2022 – die Geschichte einer Wahnsinns-Reise.

8000er Achttausender Manaslu Expedition Himalaya Nimsdai Elite Exped 8k 8000 meter

Der Tag, an dem der Manaslu in dieser Herbstsaison sein sonnigstes Lächeln aufsetzte und unter wolkenfreiem Himmel in unschuldigem Weiß erstrahlte, war der Tag, an dem die Menschen ihre Zelte abbrachen. Endlich kehrt hier wieder eine Ruhe ein, mag er sich wohl gedacht haben, und hatte es zuvor wochenlang umso monsunartiger regnen, schneien und Lawinen donnern lassen. Wir können es dem Manaslu nicht verübeln. Permits für 404 Bergsteiger wurden von der nepalesischen Regierung ausgestellt, zu fast jedem und jeder kommt mindestens noch ein Climbing-Sherpa dazu. So viele Menschen musste der achthöchste Hügel auf diesem Planeten noch nie über sich ergehen lassen.
Zusätzlich zum üblichen Publikum waren da einerseits viele 8000er-Bergsteiger (und solche, die es werden wollten), die bei geschlossenen Tibet-Türen statt Cho Oyu und Shishapangma den Manaslu auserwählten. Andererseits waren da einige, die nach medialer Gipfeldiskussion doch unbedingt den Hauptgipfel einsacken wollten.

Und dann waren da noch wir zwei. Mit unserem eigenen, ganz großen Traum: einmal aus eigener Kraft, mit eigener Luft auf über 8000 Meter Meereshöhe stehen und mit eigenen Augen das sehen, was man dort oben sehen darf. Dazu wollten wir nach unserem gescheiterten Versuch 2018 am Gasherbrum II in Pakistan diesmal zurück nach Nepal.

Namaste, Berg der Seelen!
Vom ersten Schritt weg fühlen wir uns gleich wieder gut angekommen im Himalaya – schönste Erinnerungen an unsere Ama-Dablam-Besteigung 2015 leben auf zwischen unserem Lieblingscafé in Kathmandu, den im Wind wehenden Gebetsfahnen am Larke Pass und in den so simplen und herzlichen Lodges am Manaslu Circuit Trek mit dem legendären Dal Bhat zum Abendessen.

Unglaublich schön, wieder hier zu sein!
In Surki Khola, wo’s mehr Hühner als Häuser gibt, sitzen wir beim fünftägigen Anmarsch (und nach abenteuerlich-anstrengender Jeepfahrt mit gebrochenem und vor Ort wieder zusammengeschweißten Querlenker) wie ein altes Ehepaar auf einem türkis gestrichenen Holzbänkchen vor unserer Lodge. Wir schlürfen würzigen Masala-Tee, beobachten das bunte Treiben und schreiben mit dem Kugelschreiber in unser Tagebüchlein, das uns in diesen Wochen jegliche Facebook-Postings und Insta-Storys ersetzen wird. Ganz oldschool ohne Internet und Social Media unterwegs zu sein, um möglichst im Hier und Himalaya zu sein, das wollten wir auf dieser Reise.

Begegnungen am Manaslu Circuit Trek.
Und was sollen wir sagen: Sechs Wochen später sind zwei Kulis leergekritzelt und zwei Hefte randvoll geschrieben. Gefüllt mit teilweise sehr abenteuerlichen Geschichten, wie wir sie so nie erwartet hätten, und einer kompletten Bandbreite an Emotionen, wie wir manche von ihnen so in ihrer Tiefe überhaupt noch nie spürten. Glück, Sorge, Enttäuschung, Dankbarkeit – das wären ihrer vier.

Almauftrieb in rosa Röcken

Von Dharapani ging’s für uns erst gute 50 Trekking-Kilometer über den Larke Pass (5100m) bis ins letzte Bergdorf Samagaun am Fuße des Manaslu. Von dort wähnen wir uns an den steilen Hängen hinauf ins Basecamp mittendrin in einem Almauftrieb – und bald strömt der Regen so unaufhörlich auf uns nieder, als hätte der Himmel über dem Himalaya alle Schleusen geöffnet, um sich alle diese Menschen, Tiere und Lasten vom Hals zu halten.
Und doch ist in dieser Ameisenstraße eine Begeisterung spürbar, vor allem auch verströmt von den Trägerinnen. Lila Gummistiefel, rosa Rock, weiter Pulli, Nasenring, um die 20 Kilo Traglast im Korb und zum freundlichen „Namasteeee“ huscht noch ein breites Lächeln über ihre Lippen – bis die Sherpa-Frau weiter mit ihren Freundinnen schnattert so fröhlich wie eine Gans, die einen gewöhnlichen Sonntagsausflug unternimmt. So coole Hennen!

Und so viel Farbe unter dem Grau, das den kompletten Himmel bedeckt. Gelbe und violette Blumenfarbtupfer zieren die Moräne bis kurz unters Basislager und die Büschel kleiner Edelweiß-Verwandte schmecken den Mulis offenbar besonders gut.

Willkommen iN Base Camp City!

Das Basislager gleicht einer Zeltstadt, wie wir sie sonst nur von Bildern vom Mount Everest kennen – etwas Unnatürliches in dieser naturgewaltigen Bergwelt. Doch das Gefühl bei unserer Ankunft überrascht uns, trotz der vielen Gipfelaspiranten ist es ein unerklärlich gutes Gefühl. Die Zelte schmiegen sich sorgfältig, wie von einem Architekten geplant sanft in die Moränenhänge. Jede Agentur hat ihr eigenes Wohnviertel mit aufwändig angelegten Terrassen, wo die jeweiligen Zelte stehen und manch luxuriöse Riesen-Kuppel thront. Eine spacige Wohfühl-Lounge, prall gefüllt mit Lustbarkeiten, die man auf so einer Expedition auch gut und gerne vermissen dürfte. Wir biegen erste Reihe rechts ab in unsere unauffällige Siedlung – so am Rande gelegen könnte das schön ruhig sein.

Unser Basecamp mit reichlich gedecktem Gabentisch.
Unsere Gruppe der Agentur „Snowy Horizon“ zählt in Summe neun bunt zusammen gewürfelte Teilnehmer – wir beide haben Basecamp-Service gebucht, sprich volle Verpflegung und Träger bis inklusive hierher und am Berg komplette Selbstständigkeit. Pro Kopf gibt’s ein mannhohes Zelt, das mehr Platz bietet als unser Bus. Dazu für die Allgemeinheit zwei Klozeltchen (eins fürs kleine, eins fürs große Geschäft, das in einer Tonne landet und dann auch gut entsorgt werden will). Unsere Crew hat ein geräumiges Kochzelt und wir bekommen gleich nebenan dreimal am Tag etwas Köstliches im ebenso großen Essenszelt serviert. Am kleinen Gasofen in einer Ecke können wir uns in den Abendstunden erwärmen.

Wie im Traum
Von unserem Basecamp-Team rund um Chef Pemba und Ober-Kitchen-Boy Mingma werden wir zum ersten Dinner gleich einmal verwöhnt mit Schwammerl-Ingwer-Suppe, faschierten Yak-Laibchen (alternativ vegane Kartoffelpuffer), dazu Makkaroni mit Tomatensauce und Gemüse. Überrascht werden wir dann noch mit einer zuckersüßen Kokostorte und der Aufschrift „Welcome to Manaslu BC“. Als wir nach dem letzten Bissen den Reißverschluss unserer „Dining Hall“ öffnen, die so hübsch geschmückt ist wie ein Partyzelt im Mostviertel zu einer 40er-Feier, läuft uns nochmal das Wasser im Mund zusammen.

Da! Oben! Manaslu! Der Pinnacle zeigt sich uns das erste Mal, eine Wahnsinnsszenerie mit wilden Gletscherbrüchen zur Rechten und weißen Flanken zur Linken umrahmt uns. Der Fast-Vollmond leuchtet diesen gigantischen Traumberg hell aus – er ist megaschön anzusehen! – nur wenige vom Wind gezeichnete Wölkchen umschwärmen ihn, unzählige Sterne scheinen vom Himmel, es ist mucksmäuschenstill und angenehm lau. Wow! Welch ein Geschenk, dass wir gemeinsam hier sein können!

Heavy into heaven

Am Weg in unser vorgeschobenes Camp3.
Die nächsten Tage gleich in Aufbruchstimmung, tragen wir in zwei Akklimatisierungsrunden jeweils an die 20 Kilo verflucht schwere Rucksäcke bis knapp auf 7000 Höhenmeter hinauf, errichten uns damit Lager 2 und ein vorgeschobenes Lager 3 und passen uns möglichst gut an die Höhe an. Nur einmal kotzen wir beide aus unserem Lager-3-Zelt, zu viele Liter Tee tun offenbar auch nicht gut…

Getting high.
Irgendwie schräg, wie rund um uns die Bergsteiger mit ihren kleinen Tagesrucksäcken in gelben Galaxien von ihren Agentur-Sherpas und Hochlager-Köchen empfangen werden mit Coca Cola und heißem Tee, dann auf einem Sessel in einem Riesen-Zelt die Suppe gereicht bekommen – während wir uns beim Schaufeln und Zelt-Aufbauen erstmal noch eine bis zwei Stunden die Seele aus dem Leib schnaufen. Eine skurrile Parallelwelt.

Steigeisen anlegen? Das gehört längst zum Service der Sherpas. Die Deutsch-Polin Beata aus unserer Gruppe, die mit zwei Sherpas gut versorgt ist, erzählte uns, sogar die Schuhbänder würden ihr gebunden. Willie aus Kanada und Salomon aus Israel waren zwei – wie’s Reinhold Messner bezeichnen würde – klassische 8000er-Touristen. Der eine wird übers Basislager und der andere übers C1 nicht hinauskommen. Aber was motiviert sie? Vorgestern Fallschirmspringen, gestern Kilimandscharo und heute erstmals Steigeisen, Mera Peak und ein 8000er – es steht eben auf seiner Bucket List, sagt Willie, und leisten kann er sich’s. Morgen dann übrigens Mount Everest.
In unserem Essenszelt unterhalten sich Willie und Salomon leidenschaftlicher über teure Uhren und schnelle Autos als über Berge. Der Berg ist auch da, doch es geht nur ums Ziel. Leider werden hier doch einige Klischees erfüllt. Und die Frage, die an mir am Essenstisch am meisten nagt: Will ich wirklich mit diesen Leuten am selben Berg, auf derselben Route unterwegs sein? Sie neben mir im Basecamp sitzen haben, ist das eine – das sind nette Menschen, mit denen man interessante und aufschlussreiche Gespräche führen kann. Sie neben mir vielleicht in heiklen Bedingungen am Seil klettern sehen, ist das andere.
Erster Abseiler am 8000er… WTF!

Schlangen gehen.
Es gibt kurze Staus bei unseren Aufstiegen in manchen Steilstufen, die halten sich über weite Strecken aber in Grenzen – meistens haben wir überraschenderweise auch unsere komplette Ruhe. Doch einmal reicht es uns doch während eines Abstiegs: Viele Leute sind völlig über ihren Verhältnissen unterwegs, dafür völlig ohne Wissen. Auf einer 8000er-Expedition im Abstieg erstmals Abseilen? Sich das Gerät von einem Guide einhängen lassen? Für einen Meter eine Minute brauchen, weil man mit dem Vorgang und der Ausgesetztheit überfordert ist? Und das alles mitten im Eisbruch, wo man viele Leute hinter sich zum Warten zwingt? Das ist die größte Unverantwortlichkeit, die hier jeder Tourist seinem Sherpa und anderen Bergsteigern, die sich gewissenhaft vorbereiteten, antut. Sich mit solchen Leuten in eine Schlange einzureihen, das fühlt sich als Fehler an. Doch was ist die Lösung? Auf den eigenen Traum verzichten?
Ohne Sherpas, ohne Sauerstoffflaschen
So ganz ohne Sherpas und Sauerstofflaschen im Schlepptau, dafür mit totaler Eigenverantwortung und allem Eigengewicht auf den Schultern, wirken Andi und ich exotisch in diesem Getummel. „No sherpa?“, fragt uns nicht nur ein Sherpa. No. No sherpa. Kaum einer Hand voll Gleichgesinnter begegnen wir bei unseren Aufstiegen. Sogar Ralf Dujmovits hat diesmal einen Hochträger dabei. Es ist natürlich niemandem zu verübeln – schwer zu schleppen, vor allem, wenn das ein Drittel des eigenen Körpergewichts übersteigt, das kostet pure Kraft, die man in der zunehmenden Höhe auch andernorts gut gebrauchen kann. Es überrascht uns trotzdem: Bergsteiger, die sich einen Achttausendergipfel ehrlich und komplett aus eigener Kraft verdienen möchten, sind mehr als dünn gesät.

Fix, Oida!
Die schweren Hausaufgaben können wir in den ersten Wochen bei anhaltendem Sauwetter aber zugegeben auch nur dank der unglaublichen Arbeit der Fixseil-Armada vom Team Nimsdai („Elite Exped“) erledigen. Sie durchzogen den Manaslu von Fuß bis Kopf mit einer Lebensader. Messner würde wohl „Ketten“ und „Handschellen“ dazu sagen. 150 Dollar pro Nase ist das Fixum, das jeder Bergsteiger für die Fixseile entrichten muss – ganz egal, ob man die Spur und Seile nun nützen mag oder nicht, das ist Gesetz auf dieser Expedition. Krass, einen Berg so versichert und gespurt zu sehen.

Siebeneinhalb Kilometer Seil haben sie in Summe verlegt, erzählt mir der junge Sherpa, als er über einer aufklaffenden Spalte zwischen Lager 2 und Lager 3 eine Alu-Leiter anbringt. Diese laufend geräumte und gewartete Autobahn mit diesen Leitplanken ist auch für uns die einzige Möglichkeit, bei so miesen Verhältnissen überhaupt so „sicher“ und „schnell“ und „weit“ voranzukommen. Nach viel zu vielen Tagen im nicht enden wollenden Monsun endlich einmal über den Wolken anzukommen, über 6000 Meter, dann über 6500 Meter hinauszusteigen, dort oben den ersten Sonnenaufgang zu erleben, das war schon ein Wahnsinns-Gefühl für sich und nur dank dieser Männer möglich.
Nach den ersten Ausflügen in die dünne Luft, wo unser Puls so wild hämmerte, als wollte er uns sagen „Ach Kinder! Warum können wir nicht einfach in den Alpen klettern gehen?“, lagern wir im Basecamp auf Mont-Blanc-Gipfel-Höhe wieder die Beine hoch und verdrücken Momos und Chapati, die uns Mingma mit einem Lächeln und so mancher Lebensgeschichte serviert. Ein Baby-Sherpa wird nach buddhistischer Tradition nach dem Wochentag benannt – Mingma ist demnach ein Dienstagskind. Unser Koch Pemba kam samstags zur Welt.

Mingma – unser Freund und Helfer.
Wir warten noch ein paar Dawas, Mingmas und Purbus für ein gutes Gefühl und endlich einmal gutes Wetter ab für unseren Gipfelversuch. Mit unseren beiden Zwischenlagern (C2 auf rund 6400m und C3 6850m) wollen wir auskommen am Weg zum 8163 Meter hohen Gipfel. Camp1 und Camp 4 wollen wir überspringen – es wird also sportlich. Neben dem Respekt vor der dünnen Luft liegt aber auch der Respekt vor dem großen Krabbeln und der großen Lawinengefahr in der Luft.

Und dann kam die Lawine, die erste

Black Monday, Grey Tuesday
Gerade sind wir nach einem Telefonat mit Freunden und ihrem Wetter-Update (scheinbar herrlicher Sonnenschein und wenig Wind am 29./30. September) noch so richtig guter Dinge für unseren Summit Push (Start übermorgen), sogar ans Gleitschirm-Mitnehmen denken wir. Da kommt auch schon die schwärzeste aller Nachrichten hereingeflattert. Eine Riesenlawine dürfte zwischen C4 und C3 abgegangen sein – ersten Infos zufolge seien sieben Sherpas betroffen, die für ihre Klienten im Lager 4 Sauerstoffflaschen deponieren wollten. Von unten bangen und beten wir. Gedämpfte Stimmung, große Sorgen. Nach und nach sickern – nicht verifizierbare – Meldungen durch. 15 Betroffene… 25… Ein Toter… Drei Tote? Viele Verletzte! Ein kurzes „Sind sicher im Basislager“ nach Hause SMSen – in der „Draußenwelt“ bekommt man wohl gar nicht so viel später von diesem Unglück mit als wir Internet-losen hier im Basecamp. Oben am Heli-Landeplatz werden hektische Funksprüche ausgetauscht, Instruktionen, wie mit Verletzten umzugehen ist. Leute mit medizinischen Koffern und Sherpas mit Fixseilen und Firnankern – alle warten im Nebelgrau, doch bei diesem Kackwetter kann kein Heli kommen.

Leider kein Flugwetter.
Und unser Zelt? Mit Daunenanzug und all unserer Gipfel-Ausrüstung, die wir uns schon oben deponiert haben, damit wir’s beim Summit Push leichter haben? Womöglich auch mittendrin in dieser Lawine. Aber das beschäftigt uns vorerst wenig. Erst haben wir Tränen in den Augen, können uns nur gut in Sicherheit wähnen und für oben das Beste hoffen.

Unser Lager 3 haben wir klein verpackt, aber ob wir es nach der Lawine wiederfinden werden?
An Fakten kommen wir hier am Fuße des Berges nur schwer heran, doch allmählich scheint sich am nächsten Morgen der große Aufruhr zu verwandeln – einerseits in große Abbruch- und andererseits in große Aufbruch-Stimmung. Das Zeitfenster neigt sich langsam dem Ende zu für viele Expeditionen, manche haben die Segel schon gestrichen. Die Lawinenlage ist nach wie vor heiß und bei den Wetterberichten lässt sich in diesen instabilen Wochen nur auf eines verlassen – auf Unzuverlässigkeit. So glückte zwar schon so mancher Gipfelversuch, aber noch mehr Versuche glückten nicht – und die Menschen, die ohne Sauerstoffmasken auf den Gipfel wollen (was einen erheblichen Leistungsunterschied und noch windschwächeres Wetter erfordert), lassen sich mit den Händen und Füßen von uns beiden abzählen. Nicht mehr als zehn Prozent seien das, sagt Pemba, unser Campmanager.

Eine einzige, winzige Chance
Uns bleibt nur eine einzige Chance. Und diese Chance ist mehr nur eine winzige Chance, denn ob wir unser Zelt mitsamt Daunen-Zeug auf 6850 Meter finden, steht in den Sternen. Es wäre zwar schön, mit einem vielversprechenden Gefühl zum Gipfelversuch aufzubrechen, aber das ist wohl das Wesen einer Expedition. Be prepared for everything!

Summit Push: Vom BC geht’s direkt ins C2 – und am nächsten Tag kommt die böse Überraschung…

Alles futsch
Als Andi zwei Tage und 2000 Höhenmeter später, wenige Meter vor mir, nicht gleich eine fröhliche Geste herunterwirft, schwant mit Böses. Von unserem Zeltdepot und der Stange als Markierung keine Spur mehr. Das GPS punktet nur sehr grob und somit beginnt die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wir sondieren mit den Stöcken, buddeln mit der Schaufel, die Atemfrequenz in lichten Höhen – und mit jedem vergeblichen Stochern schwindet meine Hoffnung. 15 Uhr, im Wissen, ohne Daunenanzug wird’s bald kritisch kalt, ziehen wir uns zweihundert Höhenmeter zurück ins Haupt-Dreier-Lager. Sollten wir dort überhaupt Unterschlupf finden – ansonsten war’s das jetzt schon mit dem Gipfel…
Freundlicherweise leiht uns die Agentur 8K eines ihrer freien Zelte. Am nächsten Vormittag starten wir mit zwei Sherpas eine erneute Suche nach unserem Zeug, die verläuft wieder im Nichts. Somit ist definitiv alles futsch – der vermeintlich perfekte Gipfeltag, Daunenanzug, neue Heizsocken von Lenz, Daunen-Handschuhe und dünne Merinoliner, die leckeren Dryfood-Sackerl von Lyo und die liebste, dicke Merino-Unterwäsche von Ortovox. Aus der Traum?

Down… ohne suit!

Ein letzter Hoffnungsschimmer keimt auf. Vielleicht… könnten wir hier Ersatz finden? Ob uns jemand einen Daunenanzug borgen würde? Unsere liebe Bekannte, die Deutsch-Peruanerin Flor Cuenca, bringt uns zwei Gestrandeten netterweise Essen vorbei – außer ein paar Riegel schaut’s bei uns dürftig aus – und sie legt Andi die Rutsche zu Sangay Sherpa.

High nach dem Down
Am Nachmittag treiben wir tatsächlich passende Anzüge auf. Was für ein kleines Wunder! Andi wird bei Sangay fündig, der wegen einer Erkältung keinen Summit Push mit 8000er-Sammlerin Sophie Lavaud starten kann. Und ich klopfe erfolgreich bei Luisa aus Mexiko an, die an diesem Morgen mithilfe von Flaschensauerstoff den Gipfel erreichte. Wahnsinn, wie cool sind die beiden! Wir kriegen also unsere Chance!
Der Tag, mehr actionreich als erholsam, war jedoch nicht gerade die beste Vorbereitung für den Gipfelgang. Wir haben aber keine andere Wahl, als es hier und heute zu versuchen. Um 20 Uhr wollen wir losstarten, denn der Gipfel (8163 m) liegt noch eine halbe Ewigkeit vom unteren Lager 3 (6600m) entfernt. Lager 4 als Zwischenstopp schließen wir aus. Unser Zelt noch weiter hinaufschleppen wollen wir nicht, ein Backup von Sauerstoffflaschen haben wir nicht, mehr Zeit übrig auch nicht und eine Nacht so hoch oben könnte kritisch werden, Erfahrung mit Höhen größer als 7400 Meter: Fehlanzeige. Umso besser wollen und müssen wir auf unseren Körper hören. Als ich um 18 Uhr noch immer ohne Anzug dastehe – Luisa sollte sich darin erst noch erholen – sitze ich auf Nadeln. Keine zwei Stunden vor unserem Abmarsch hab aber schließlich auch ich meine Rüstung gegen die Himalaya-Kälte.

Start- und sternenklar

20:30 Uhr, auf ins Hauptabendprogramm!
Sternenklar und stockdunkel ist die Nacht, in die wir gegen halb neun Uhr abends starten, und in allen Stunden ihrer Finsternis kämpfe ich mit der bitteren Kälte in meinen Füßen und Händen. Die steilen Flanken geht’s zwei Drittel lang auch ohne Fixseil recht easy hinauf, doch die bergwärts exponierten Finger und Zehen bekommen immer mehr Wind und Frost ab – temperaturmäßig bin ich am Limit angekommen und versuche bei jedem Schritt, die Füße und Hände mit zusätzlichen Bewegungen warm zu kriegen.

Mein Kampf mit der Kälte

Vor allem dieser eisige Fallwind raubt mir Energie, ich kann ihm dabei zusehen, wie er mir die Wärme und Kraft bis zum Nullpunkt aus dem Körper zieht. Mühsam bis zermürbend ist es, mit unpassenden Handschuhen und doppelt zu großen Überhandschuhen immer wieder Stirnlampe und Buff zurechtzurücken. Und bald stelle ich durstig und frustriert fest, nicht einmal an meinen Trinkbeutel zu gelangen – dazu müsste ich erst einmal den Reißverschluss des Daunenanzugs aufbringen, was in den klobigen Handschuhen gar nicht klappen will, und einmal offen, würde mir der Eiseswind den Anzug mit Schneekristallen vollrieseln.

Bei den stärksten Böen halte ich mir für ein paar Sekunden immer schützend die Hände vor die Augen, weil die Schneekristalle wie Pistolenkugeln daherschießen. Nach der nächsten Windböe fällt mir auf, dass mein linkes Auge nur noch eingeschränkt sieht. Es ist leicht benebelt! Wie spooky!! Das war wohl etwas zu viel der windigen Schussattacken. Oder hängt das mit der Höhe zusammen? Ich beginne, mir leichte Sorgen zu machen. Irgendwann nach Mitternacht kommen steilere und kurz vereiste Passagen unter die Eisen, bei denen wir sicherheitshalber doch besser den Jümar ans Fixseil hängen. So ganz ohne Fingerspitzengefühl wird das Umhängen nach jedem Fixpunkt aber fast schon zum Verzweiflungsakt… und dann ist da noch diese unendliche Müdigkeit, die mich in immer kürzeren Abständen überfällt.

Andi? Ist eine Spur weiter von seinem Limit entfernt. Irgendwann reißt er ein KitKat auf und reicht mir seinen Trinkbeutel. Eine Schnecke ist auf ihrem Weinberg wohl schneller unterwegs als ich hier am Manaslu. Ich fühle mich brutal langsam, auch wenn mich Andi beruhigt, dass wir noch in der Zeit lägen.

Doch spätestens als ich den Sonnenaufgang, irgendwo zwischen 7400 und 7500 Meter, so gar nicht genießen kann, ihn nur am Rande wahrnehme, und zum ersten Mal in meinem Leben in so einem Wahnsinnsmoment so gar keine neue Kraft in mich fließen spüre, muss ich eines erkennen, so sehr es mich auch enttäuscht:

Ich kann nicht mehr.
Vor allem kann ich nicht mehr garantieren, dass ich wieder gut und in einer vernünftigen Zeit zurückkomme, wenn ich jetzt noch weitergehe. Ab hier müssten wir nochmal ungefähr acht Stunden bis zum Gipfel rechnen, wenngleich es am Plateau bald auch flacher wird. Vor allem spüre ich aber, dass es Andi besser geht, und dass er es heute wirklich schaffen kann. Schaffen wird! Ich schlage ihm vor, dass er es alleine probieren kann. Und weiß im selben Moment, was mir fast das Herz bricht, dass unser gemeinsamer Traum somit hier ein Ende hat, hier in der vom Morgenlicht beschienenen Flanke, die erst im Himmel endet.

Ein Kuss.
Ein „Ich liebe dich!“
Ein tiefer Blickkontakt. Auf der einen Seite in verheißungsvolle Augen, auf der anderen Seite in tieftraurige.
„Und ich steige heute noch zu dir zurück ins Basislager ab“, schickt mir Andi mit auf den Weg.

Tränen der Enttäuschung

So kehre ich meinem Traum den Rücken zu, mutterseelenalleine geht’s zurück in dieses weiße Leintuch hinein – nur in Begleitung meiner Tränen.

Kräfte kommen mit abnehmender Höhe und steigenden Temperaturen langsam wieder zurück und im Camp 3 überlege ich noch ein paar Stunden, ob ich hier auf Andi warten soll, beschließe dann aber doch, alles einzupacken, im Camp 2 noch unser zweites Zelt abzubauen (was eine Stunde aus dem Eis herauspickeln hieß) und kurz vorm Finsterwerden bin ich zurück im Basislager. Wo ich anfangs noch unbeschreiblich enttäuscht von mir bin, so enttäuscht wie überhaupt noch nie… aber das sollte sich noch relativieren.
Irgendwann im Laufe des nächsten Tages, als ich noch immer keine News von Andi habe und nachdem eine Riesenlawine zu uns aufs Basislager donnerte, verwandelt sich meine unendliche Zuversicht in unendliche Sorgen.
Wir hatten uns am Vortag zum Sonnenaufgang auf knapp 7500 Meter das letzte Mal gesehen – und seither keinen Kontakt. Im Basislager fielen auch gut zehn Zentimeter Neuschnee über Nacht. Mir fiel dann ein ganzer Steinbruch vom Herzen, als ich am späteren Nachmittag über Funk von einem Sherpa erfahre, Andi sei im Abstieg. Als er dann abends im Finsteren endlich vor mir steht… gezeichnet von den letzten Stunden, aber gesund… erreicht meine Dankbarkeit eine neue Dimension. Denn was Andi alles erlebte – das erzählt er am besten selbst.
Und das war so…
Auch ich habe Tränen in den Augen in dem Wissen, dass unser gemeinsamer Traum hier zu Ende ist. Aber ich bin Marlies auch so dankbar für die Möglichkeit, den Gipfel noch versuchen zu können. Ich fühle mich eindeutig gut… auch wenn der Weg noch ein langer werden wird.
Hätte ich allerdings gewusst, wie lang und abenteuerlich, hätte ich mit Marlies an dieser Stelle umgedreht.

Langsam legt sich die steile Flanke ein wenig zurück und die Fixseile enden an zwei Firnankern. Praktisch, da lass‘ ich meinen Rucksack. In ein paar Stunden bin ich ja wieder hier. Sonnencreme… vergesse ich blöderweise. Rechts unterhalb in einem windigen Sattel sehe ich die teilweise zerfetzten Zelte von Lager 4. Und vor mir führt eine gut gefrorene Spur über mehrere Etagen zum Gipfel, Markierungsfähnchen weisen den Weg. Könnte sich ein wenig ziehen…

Highway

In Zehner-Schritten
Und das zieht sich! Nicht nur ein wenig! Die Sonne brennt vom Himmel, sodass mich sogar der weiße Rahmen meiner Brille blendet. Gleichzeitig werde ich mit jedem Höhenmeter langsamer. Gefühlt werde ich schneller langsamer als der Höhenmesser steigen will – dieses fiese Ding. Also Kopf nach unten und Schritte zählen. 10 gehen gut, dann nochmal 10 und wenn’s ganz gut geht nochmal 10. Einmal schaffe ich sogar nochmal 10. Spätestens dann ist Verschnaufpause angesagt. Schritte zählen und verbleibende Höhenmeter ausrechnen. Das sollte meine Beschäftigung für die nächsten sieben Stunden werden. Manchmal verrechne ich mich und habe Sorge, dass ich zu spät dran bin, dann bin ich wieder erfreut, wenn ich die Uhr richtig ablese und in der Zeit liege. Zwischen den Zehner-Schritten überkommt mich hin und wieder Sekundenschlaf.
In Summe fühle ich mich aber noch gut, wäre da nicht diese eleeeeendige Langeweile! 10 Schritte, wieviele Höhenmeter, immer noch nicht auf Höhe vom Pinnacle?
Endlich bin ich beim letzten Gipfelaufschwung angekommen. Zumindest das Wetter wird ab jetzt abwechslungsreicher: Mal Sonne, mal Wind, mal Schneesturm, mal Nebel. Meistens sehe ich weit nach unten, also mache ich mir keine Sorgen. 20 oder 30 Leute sind auch noch unterwegs, die meisten allerdings in meine Gegenrichtung.
Endlich ein Felsblock. Ich komme dem Gipfel also wirklich langsam näher. Inzwischen hat leider der Nebel das Spiel gemacht und ich folge dem roten Fixseil über die letzten Schneewechten, bis sie an einem fahnengeschmückten Schneemugl enden.
Das ist also der Gipfel.

Andi am Hauptgipfel des Manaslu.

Abstieg Im Whiteout
Ich vermute, es sind die mangelnde Aussicht und das Gefühl, hier oben alleine im Nebel zu stehen, die keine Gipfelfreude aufkommen lassen. Nur ein Foto, einmal Durchatmen und nach zwei Minuten steige ich ab. Wenige Minuten später bin ich wieder beim Felsblock, wo mich einer fragt, wie weit es noch bis zum Gipfel sei. Sein Partner warte weiter unten. Dass wir noch gute Freunde werden würden, die zwei Iraner und ich, ahnen wir bei diesem Kennenlernen noch nicht.
Ja, bisserl Nebel, wenig Sicht. Wird schon werden, quatsche ich mit dem Iraner weiter unten. Ich suche schon mal die Spur, dann können wir ja gemeinsam absteigen. Ein Fixseil finde ich noch, doch dann ist Schluss. Inzwischen gesellt sich zum Nebel ordentlicher Schneefall und wir merken, dass der Abstieg im kompletten White-Out vielleicht doch ein wenig spannender werden könnte als vorgestellt.

Spurlos verschwunden
Abwechselnd spuren und suchen wir uns hinunter. Immer wieder müssen wir auf eine Aufhellung warten, um einen kleinen Hinweis zu bekommen, wo’s langgeht. Die beiden quasseln oft ins Funkgerät. Dauert eine Weile, bis ich verstehe, dass zwei ihrer Kollegen auch irgendwo hier herumirren. Nach einigen Stunden sind wir dann fünf Wühlmäuse.
Mit dem GPS versuche ich die grobe Richtung zum Lager 4 zu bestimmen – von der Spur keine Spur mehr. Im oberschenkeltiefen Schnee wühlen wir uns abwärts. Da! Eine kurze Aufhellung, vielleicht fünf Sekunden, und wir können in der Ferne die Umrisse der Zelte ausmachen. Puh!
Kurz vor den Zelten verabschiede ich mich von den Iranern. Ich bin ja fest entschlossen, heute noch abzusteigen. Bei dem Schneefall wird die steile Flanke ja auch nicht ungefährlicher! Also stapfe ich los in die Richtung, in der ich meinen Rucksack vermute – doch nach einigen Metern schon werde ich unsicher. Der Wind legt zu und die Sicht nimmt ab, vielleicht zwanzig Meter. Mich beschleicht das ungute Gefühl, dass ich weder meinen Rucksack noch die Fixseile finden werde – beides bestimmt eingeschneit.

Ab ins SchneeLoch
Zu dem unguten gesellt sich das noch ungutere Gefühl, dass ich jetzt nicht mal mehr den Weg zu den Zelten finden werde. Hmm… könnt spannend werden! Zwei, dreimal rufe ich nach den Iranern, aber eindeutig, dass mich bei 60km/h Wind niemand hören wird. Also beschließe ich kurzerhand, einen Windschutz zu bauen. Mit dem Pickel grabe ich ein Loch und baue mit den Schneebrocken einen Halbkreis. Brauchbar! So kauere ich in meinem kleinen Schneeloch und hoffe, dass der Wind vielleicht mal eine Pause einlegt. Inzwischen wird es dunkel, ungefähr 18 Uhr also. Mir ist immer noch halbwegs warm – oder sagen wir: der Situation entsprechend gar nicht so kalt, wie es sein könnte. Das beruhigt mich. Wenn es sein muss, würde ich so auch die Nacht überstehen. Ein paar Mal nicke ich für ein paar Minuten ein, ansonsten lausche ich dem Sturm in all seinen Nuancen.
Nach einigen Stunden dann sehe ich einen Schimmer von Licht hinter mir… hey, der Mond! Also muss der Nebel ein wenig lichter sein! Ich beschließe auf Zeltsuche zu gehen. Mit der Handy-Taschenlampe (meine Stirnlampe ist ja im Rucksack…) gelingt es mir hundert Meter weiter die Zelte zu finden. Das erste, in das ich einen Blick werfe, ist schon belegt: zwei der Iraner. Schön, nicht alleine hier! Also nehme ich kurzerhand das zweite – ist kaputt und halb mit Schnee gefüllt. Doch zwei Isomatten versprechen Liegekomfort 🙂

Zumindest bin ich aus dem gröbsten Wind. Durch das zerfetzte Zelt weht es allerdings unaufhörlich Schnee herein. Immer wieder muss ich mich abschütteln. Dem Sturm lauschend zittere ich mich durch die Nacht. Willst du denn nicht endlich aufhören?
Gegen 3 Uhr Lagebesprechung mit den Iranern. Sie wirken noch recht relaxed. In 2-3 Stunden machen wir uns gemeinsam an den Abstieg. Als ich um 6 Uhr aus dem Zelt schaue, hat sich das Wetter tatsächlich ein wenig beruhigt. Glück gehabt! Die Iraner trödeln noch immer, also mache ich mich auf den Weg. Glücklicherweise kann ich die Firnanker und meinen Rucksack von Weitem erkennen. Fixseile ausgraben und ab nach unten!

Wumm!
Zig Abseilfahrten, einige Schneebretter und stundenlanges Wühlen in hüfttiefem Schnee später erreichen wir den kleinen Gletscherbruch vor Lager 3. Die Iraner haben mittlerweile aufgeholt und gemeinsam überlegen wir, wo genau denn hier der Weg verlief. Zwischendurch können wir sogar schon die Lager-3-Zelte sehen. Rüberqueren? Nach einem ordentlichen Wumm-Geräusch macht der Iraner sofort kehrt. Vielleicht doch gerade hinunter? Ich schau‘ mal…
Noch ein ordentliches Wumm später, sehe ich rund um mich nur noch Schneebrocken in Bewegung. Aha, möglicherweise eine Lawine. Nach drei Spülgängen werde ich 30 Meter weiter unten ganz in Weiß wieder ausgespuckt.

Ja. Eindeutig Lawine.
Ich unten, die Iraner oben.
Der Weg zurück hinauf kostet mir nochmal alle Kraftreserven, bevor ich die letzten Meter ins Lager 3 trotte. Von Flor bekomme ich eine Flasche Saft, was für ein Geschenk… hab‘ ich doch die letzten eineinhalb Tage vielleicht einen Viertelliter getrunken (und zwei Kilo Gefrorenes im Rucksack heruntergetragen).

Nach einer Pause mache ich mich an den Abstieg ins Basislager. Dass ziemlich alle Expeditionen hier und heute abbrechen, es zu stundenlangen Staus inmitten von lawinengefährdeten Bereichen kommt, kann mich heute nicht mehr erschrecken. Nur dass ich erst im Dunkeln bei Marlies ankommen werde, finde ich blöd. Sie wird sich bestimmt große Sorgen machen. Als ich gegen 19 Uhr dann am letzten Stück eine Stimme höre: Andi? Da weiß ich, dass für mich alles gut gegangen ist und ich freue mich unendlich, wieder bei ihr im Basislager angekommen zu sein.

Back to Basecamp!
Ich kann übrigens nach wie vor nicht behaupten, dass ich mich über den Gipfel allzusehr freuen könnte. Dafür war einfach die Spur zuviel Glück im Spiel…

Nun ist also jener Morgen gekommen, an dem der Himmel überm Manaslu so schön blau wie überhaupt noch nie strahlt.
Gemütlich trotten wir die Moräne inmitten dieser fantastischen Bergwelt entlang, der türkise See vor uns, in den große Seracs vom Hängegletscher purzeln. 1300 Höhenmeter tiefer liegt Samagaun mit seinen bunten Dächern und sattgrünen Feldern dem Manaslu zu Füßen.

Abschied zu nehmen, fühlt sich nicht mehr so enttäuschend an wie befürchtet, es war trotz allem eine unglaublich gute Zeit und positive Erfahrung. Dass es Andi geschafft hat, freut mich unendlich für ihn – er hat auch alles dafür gegeben. Alles… Somit bin ich schlichtweg nur noch dankbar, dass uns der Manaslu am Ende nicht alles genommen hat. Das ist das Einzige, was wirklich zählt, und das ist mir auf diesen Schritten zurück in die Welt mehr als nur bewusst.

Zurück in Samagaun – und dann soll sich für uns rund um den Manaslu der Kreis noch schließen.

Ach du heiliger Buddhabimbam…
…dass noch zwei Tage kommen, die sich beide in die Top 3 der anstrengendsten dieser Expedition einreihen, kommt überraschend, aber sie kommen heute. Die Sonne konnte sich nämlich nur einen Tag am Himmel gegen die Wolkenwände durchsetzen. Die letzten gut 50 Kilometer von Namrung bis Machhakholagon, mit der wir auch unsere Manaslu-Umrundung vollenden, legen wir bei strömendem Regen, Unwettern, Blitz und Donner zurück. Knietief durch rutschende Hänge eilend, hüfttief durch reißende Sturzbäche watend und nass bis auf die Unterhose – das ist nochmal die absolute Härte. Socken und Schuhe triefen ganze drei Tage voll Schlammwasser. Das hat zumindest den Vorteil, den Latschen nicht mehr ausweichen zu müssen. Nur die ekeligen Blutegel hätten sich gerne andere Anlegestellen als unsere aufgeweichten Füße suchen dürfen…

Esel versteck dich! Und wir sind auch nass bis aufs Fell. 😉
Die Gefahren schweben fast die ganze steile Schlucht des Budhi Gandaki entlang über uns wie das Schwert des Damokles – da fühlen wir uns auf den vielen Hängebrücken über dem wild schäumenden, braunen Strom fast schon am sichersten. Das berüchtigte „Grand Couloir“ am Mont Blanc wirkt fast wie ein Kindergeburtstag gegen viele Stellen, die wir hier passieren müssen – und so kommt es auch hier, dass einen Tag, nachdem wir – pünktlich an Andis Geburtstag – fix und fertig vor der finalen Jeep-Passage ankommen, die Regierung die Trekkingrunde sperrt und viele andere Menschen noch in den Lodges festsitzen. Am Larke Pass kam’s leider zu einem weiteren Lawinenunglück mit Todesopfer.

What a birthday!

Am nächsten Tag, dem 7. Oktober, kommen wir irgendwann nach abermals anstrengenden 13 Stunden auf der Straße – diesmal im Jeep – abends in Kathmandu an, fallen in das erstbeste Restaurant neben dem Hotel ein und freuen uns auf nix mehr wie eine heiße Dusche und ein sauberes Bett. Bis ich aber den Duschkopf über mich gerichtet habe, kommt nur noch kaltes Wasser aus der Leitung. Tja, wenn’s läuft, dann läuft’s, tät‘ der Rudi Nierlich wohl sagen…
Ganz am Ende sind wir noch immer nicht angekommen. Seit einer Woche warten wir nun schon in Kathmandu auf unser Gepäck, das hat es bei den schweren Unwettern und Schneefällen noch immer nicht vom Fuße des Manaslu geschafft… Darin auch unsere Gleitschirme, mit denen wir rund um Pokhara noch ein paar Ausflüge unternehmen wollten – doch somit sitzen wir einstweilen in Nepals Hauptstadt fest. Könnt auch blödere Plätze geben, freilich, so hat jetzt das Lieblingscafé täglich stundenlangen Besuch von uns, wir haben fast alle Restaurants durchprobiert und die Kalorien wieder aufgefüllt, und das Warmwasser wurde mittlerweile auch repariert. Was für eine Reise!

Good life in Kathmandu
Zwei Dinge noch…
Nach drei Jahren unseren Bus erstmals zuhause zu lassen (und für ihn überhaupt mal ein zwischenzeitliches Zuhause finden – gar nicht so easy) war ein ebenso komisches Gefühl wie nach vielen Jahren bewusst wieder in ein Flugzeug zu steigen und den Riesen-Fußabdruck in Kauf zu nehmen. Anderes wäre geplant gewesen, war letztendlich aber nicht möglich.

Reisen ohne Wohnmobil. Wie war das nochmal?
Wir bezahlten uns die Expedition komplett aus der eigenen Tasche, weil man die Dinge einfach machen soll, die man von Herzen gerne machen mag – ohne lange herumzufackeln. Mega happy sind wir mit unseren Partnern, die uns zum Teil mit neuem Material für diese Reise unterstützten – dickes Danke an Exped für Dufflebags und Schlafsäcke, Scarpa für die Highheels, evileye für die Sonnenbrillen, Lenz für die Heizsocken, headstart für das gewisse Getränke-Extra, Komperdell für die Stöcke, die Steinmetz-Godi für den Speck und unseren Lieblings-Bergsportladen Vasold für so manches Lieblings-Ausrüstungsteil. Einen passenden Daunenanzug hatte Marlies übrigens bei Luis Stitzinger gefunden – zumindest eine Nacht lang hatte ich es darin im Camp 3 sehr kuschelig!

CREATED BY
Marlies und Andi Lattner
Appreciate
Credits:
www.hochzwei.media / Marlies Czerny und Andreas Lattner

Einen Augenblick bitte…