Mit nur wenig Vorstellung sind wir nach Taghia gekommen und umso mehr wurden wir überrascht. Ein einzigartiges Tal mit fast unwirklichen Farben, abenteuerlich schmalen Schluchten und so vielen Felswänden, dass Augen und Hirn eines jeden Kletterers beim ersten Anblick wohl „Information Overflow“ melden.

Das Video oben soll als kleiner Teaser dienen. Die ganze Story von unserem ersten Besuch in Taghia inklusive mehr Fotos gibt’s in dieser Bildgeschichte zu sehen.

In diesem Beitrag haben wir noch zusätzlich nützliche Infos und Erfahrungen zusammengefasst, falls du beim Lesen der Bildgeschichte auf den Geschmack gekommen bist 😉

Der Schauplatz

Taghia ist ein noch weitgehend ursprüngliches Berber-Dorf. Es wirkt zwar klein, aber in den 90 Häusern wohnen angeblich 600 Einwohner. Die Menschen sind freundlich und die Kinder scheinen viel mehr mit Spielen beschäftigt zu sein, als die Gäste aus Europa um „Dirhams, Stilos oder Bonbons“ anzubetteln.

Wären nicht die zwei Stunden Fußmarsch von Zaouiat Ahnsal, dann wäre Taghia wohl schon genauso ein Touristen-Hotspot wie die Todra-Schlucht auf der Südseite des Hohen Atlas. Dort laden jeden Tag sicher 20-30 Busse ihre Touristen aus – Fotostopp – und wieder ein. Die angefangene Straße nach Taghia bleibt (aus unserer Sicht) hoffentlich noch länger unvollendet. Denn so sind es fast nur Kletterer, die ihren Weg hier her finden. Und das waren im Jänner 2020 nicht viel mehr als zwei – wir zwei.

Die beste Zeit

Zugegeben: Auch wenn man im Jänner das Tal klettertechnisch für sich alleine hat, ist es nicht ganz die perfekte Jahreszeit. Wir hatten Glück und erwischten ein paar sonnige Tage mit relativ milden Temperaturen. Relativ mild heißt: nachts um den Gefrierpunkt und tagsüber um die zehn Grad plus. In der Sonne konnten wir halbwegs angenehm klettern. Nur fanden wir nicht viel Sonne 😉 Der Nachteil der schmalen Schluchten ist naturgemäß, dass ausschließlich sonnigen Wände rar gesät sind.

Ganz so einsam dürfte es in den Haupt-Klettermonaten Oktober und April/Mai nicht zugehen. Da ist die Gite von Said (einem der Gasthäuser) mit ungefähr 50 Kletterern oftmals voll belegt. Wohlfühlgarantie gibt’s aber auch in diesen Monaten nicht, es kann zwischendurch Kälteperioden und Schneefall geben. Im Sommer ist es generell zu heiß – da wird die Suche nach Schattenplätzen zum Killerkletterkriterium.

Die Schwierigkeit

Überfüllt ist das Tal aber auch dann sicher nicht, dafür ist das Routenangebot viel zu groß – Routen ab 6c aufwärts wohlgemerkt. Aber auch zwischen 6a und 6c gibt’s lohnende Linien. Unter 6a hebt man quasi nicht von Boden ab.

Der Kletterführer

Den besten Überblick findet man im Kletterführer von Christian Ravier. Die aktuelle Ausgabe von 2019 scheint sehr vollständig zu sein und vor allem ist er sehr liebevoll gestaltet. Wandbilder und Topos haben bei unseren Touren recht gut gestimmt. Entweder schon vorher direkt auf Christians Homepage bestellen oder bei Said kaufen (30 € finden wir einen sehr fairen Preis für diesen umfangreichen Führer).

Der Kletterführer

Den besten Überblick findet man im Kletterführer von Christian Ravier. Die aktuelle Ausgabe von 2019 scheint sehr vollständig zu sein und vor allem ist er sehr liebevoll gestaltet. Wandbilder und Topos haben bei unseren Touren recht gut gestimmt. Entweder schon vorher direkt auf Christians Homepage bestellen oder bei Said kaufen (30 € finden wir einen sehr fairen Preis für diesen umfangreichen Führer).

Die Unterkunft

Einquartiert haben wir uns ganz kurzfristig und unkompliziert in der Gite von Said. Sein Gästehaus ist sicher das bekannteste und wir wurden nicht enttäuscht. Für 120 DH pro Nase und Nacht bekamen wir ein sauberes Doppelzimmer mit Frühstück und Abendessen – beides sehr reichlich 🙂

Zum Thema Essen können wir so manche andere Berichte bestätigen: Es ist auf jeden Fall gut, aber auf Dauer vielleicht etwas eintönig. Suppe und Tajine, Nachtisch ein Stück Obst.

Sehr fein ist, dass man immer Tee serviert bekommt. Immer, wenn wir vom Klettern zurückgekommen sind und warm eingepackt ein wenig auf der Terrasse saßen, dauerte es nur ein paar Minuten und es stand frischer Minztee und das leckere Fladenbrot am Tisch.

Said und seine Familie haben sich sehr freundlich um uns gekümmert. Mit mehr Französischkenntnissen könnte man sich mit Said noch länger unterhalten – er spricht so gut wie kein Englisch. Aber auch so hatte er immer ein paar nette Worte auf Lager und bemühte sich sehr um uns.

Die Homepage samt Buchungen managt Mohammed, sein Sohn. Der spricht gut Englisch und ist auch immer wieder mal im Haus. Auf Wunsch organisiert er auch den gesamten Transfer z.B. von Marakesch (ca. 6 Stunden) oder wie für uns z.B. einen Esel für den Anmarsch.

Pünktlich um 8 Uhr kam Mohamed, der mit dem Esel, zu unserem Bus und begleitete uns nach Taghia. Auch hier wieder: Er spricht fast nur französisch. Die 100 Dirham (10 Euro) pro Strecke sind okay finden wir. Ein Esel trägt Gepäck von zwei Personen. Zu erreichen ist Mohamed Obenali auch direkt: obenali@hotmail.fr oder 0021/2651700680 (via WhatsApp sollte das auch klappen)

Bei Said gibt’s übrigens Wifi. Empfang hatten wir nämlich keinen (zumindest mit Inwi – eventuell ginge es mit Maroc Telecom besser).

(Fotos Mohammed, Anmarsch)

Die Anreise

Wer selbst anreist, dem können wir unbedingt empfehlen, die Straße über Azilal nach Zaouiat Ahnsal zu nehmen. Das sind zwar etwas mehr Kilometer, ist aber schneller. Ich (Andi) hatte die naive Einstellung „Die kürzere Strecke hat ja auch eine Straßennummer in Google Maps. Kann ja nicht so schlecht sein…“ Naja, mit unserem Ducato sind wir gerade noch durchgekommen. Vernünftigerweise kann man die kurze Straße nur mit einem geländegängigen Fahrzeug empfehlen. Auf diesem Weg findet sich übrigens auch die sehr beeindruckende Cathedrale Amesfrane, eine Konglomerat-Pyramide, die erst kürzlich eine erste Route von XXXXXavier bekam, dem Autor des Kletterführers. Schaut steil aus!

Direkt in Zaouiat Ahnsal kann man bei der Post parken. Allerdings besser (orographisch?) links der Post. Rechts auf dem größeren Parkplatz findet am Sonntag (oder war’s Montag? Inshallah) Souk – also Markt – statt.

Wir sind in den vier Tagen diese Touren geklettert:

La Reve d’Aicha 6a+ / 255m
Paroi des Sources

Scheint eine beliebte Einstiegstour zu sein. Die 15 Minuten Zustieg von Saids Gite haben auch uns gelockt und wir wurden nicht enttäuscht. Nur die Nachmittagssonne wanderte vor unseren Augen aus der Westwand in dieser Schlucht – das hatten wir bei der Planung nicht beachtet 😉 Vor allem die Verschneidung punktet mit abwechslungsreicher Kletterei.

Den Abstieg über kleiner Wege und Steige mussten wir zwar ein wenig suchen, aber im Grunde waren wir schnell und problemlos wieder unten bei unserer Gite.

Haben oder Sein 6b+ / 250m
Paroi de la Cascade

Dürfte auch ein Klassiker sein. Auch dem können wir beipflichten. Vor allem weil die Paroi de Cascade die einzigen richtig sonnige Wand ist. Auch die Aussicht auf’s Tal hat uns staunen lassen. Am Einstieg ist „HOS“ eingeritzt. Die Kletterei ist steil und anhaltend mit einigen kniffligen Passagen. Alles in allem brauchbar eingebohrt, aber Achtung: Der erste Bolt ist abgebrochen (aber man kann einen Friend einbauen), der zweite ist am abbrechen und am Ausstieg fehlen die Bohrhakenlaschen. Der Abstieg nach links in die Schlucht überrascht mit einem breit angelegten Steig.

Baraka 7b (bzw. 6b A0 bei uns 😉 / 680m
Oujdad

Wohl einer der größten Klassiker im Tal. Kein Wunder: 16 Seillängen, 680m und zum Schluss steht man am formschönsten Gipfel des ganzen Tals, am Oujdad. Alleine der Zustieg ist eine Demonstration der Wegebaukunst: Wo ein Berber, da ein Weg. Und mit jeder Seillänge nach oben wird die Aussicht genialer.

Die erste 6b ist uns ganz schön knackig vorgekommen. Ehrlich gesagt hätte ich keine Ahnung gehabt, wie ich die mit 6b hätte lösen sollen. Die Zeichen standen auf zügig Klettern, also A0 (wo wir dem verdrehten Haken zufolge nicht die ersten waren). Die 7b Stelle hingegen hätte mich da schon eher kletterbar angeschaut… aber: Tage kurz, schnell klettern und vor allem Finger KALT! Aber ab dann läuft’s gut.

Den Abstieg sollte man sich im Führer gut anschauen. Mit dieser Skizze haben wir ihn gut gefunden – auch den Abseiler. Allerdings war der weitere Abstieg in der Schlucht zwischen Oujdad und Taoujdad nicht so wirklich prickelnd. Ob da vielleicht der Abstieg nach Westen in Richtung Einstieg besser wäre?

L’Allumeur de Reves Berberes 6b+ / 320m
Paroi de l’Akka Tafrawt

Auch diese Tour beginnt mit einem eindrucksvollen Zustieg in die enge Schlucht, bis der Weg endgültig von einem Felsblock versperrt wird. Hier geht’s los mit der Kletterei (gleich neben der vielleicht etwas bekannteren Canyon Apache). Und auch hier fanden wir abwechslungsreiche und steile Kletterei. Nur den Abstieg haben wir nicht ganz so gut gefunden. Einmal haben wir uns über eine Felsstufe abgeseilt. Das sollte aber auch ohne gehen.

Was besser machen?

Taghia steht auf jeden Fall auf unserer Wunschliste für einen weiteren Besuch – aber wohl eher bei wärmeren Bedingungen. Da würden wir vielleicht etwas mehr Futter und Bier mitnehmen (Ersteres als Abwechslung bzw. Ergänzung zur Tajine und Zweiteres sollte höflicherweise nicht ganz offensichtlich konsumiert werden).

Vielleicht würden wir uns an die Riveres Pourpres wagen. Das soll ja eine Weltklasse-Route sein (sonst wär’ der Alex Honnold sicher nicht extra hergekommen, um sie free solo zu klettern). Au Nom de la Reforme wurde auch in den Beschreibungen gelobt.

Andi sollte ein paar Brocken Französisch lernen und eine 3-4 tägige Überschreitung zur Todraschlucht wäre sicher auch eine schöne Sache.